Die Rettung der frei fließenden Donau mit dem Rad er-fahren: Von Deggendorf nach Vilshofen
Dritte BUND Naturschutz-Radtour 2021
Auf Einladung der BN-Kreisgruppe Deggendorf und der Ortsgruppe Vilshofen trafen sich Anfang Oktober ein gutes Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Hauptbahnhof in Deggendorf zu einer etwa 40 km langen Radtour von Deggendorf nach Vilshofen. Jeanette und Andy Schmid vom BN Vilshofen, zugleich ausgebildete Fahrradtour-Guides, sowie Georg Kestel und Irene Weinberger-Dalhof von der Kreisgruppe Deggendorf des BN hatten 10 Stationen eingeplant, an denen insgesamt 10 Referentinnen und Referenten Wissenswertes, Kurioses, Nachdenkliches und manchmal ganz Persönliches zu ihrem Einsatz für die frei fließende Donau berichteten. Unter den Mitfahrern war auch Eike Hallitzky, der als früherer Landtagsabgeordneter, und bis vor kurzem Sprecher der bayerischen Grünen, die Auseinandersetzungen aus der Seite der aktiven Politik miterlebt hatte. Die Radtour war im laufenden Jahr die dritte und letzte Fahrt, die der BN im Rahmen eines vom bayerischen Umweltministerium geförderten Umweltbildungs-Projektes durchführte.
Überblick über die Planungsgeschichte - seit mittlerweile einem Jahrhundert
Gleich nach einem Kilometer gab es den ersten Haltepunkt am Oberen Stadtplatz in Deggendorf. Hier fasste Georg Kestel die Geschichte der Ausbauplanungen in einem kurzen Überblick zusammen. „Ein Markstein war vor 100 die Gründung der Rhein-Main-Donau-AG. Laut damaligem Vertrag zwischen Deutschem Reich und Freistaat Bayern sollte durch die RMD der Main-Donau-Kanal errichtet und die Donau ‚kanalisiert‘ werden. Für letzteres wurden dann über Jahrzehnte unzählige Stau-Varianten geplant. Der Erhalt der frei fließenden Donau musste gegenüber der RMD und den verantwortlichen Regierungen im Bund und in Bayern von den Bürgerinnen und Bürgern in der Region mühsam erkämpft und abgetrotzt werden.“
Hubert Stelzl und die Bürgeraktion "Rettet die Donau"
Wie sich ab Anfang der 70er Jahre zuerst bei wenigen Naturschützerinnen und Naturschützern, und dann ab den 90-er-Jahren in weiteren Kreisen zunehmender Widerstand gegen die Staustufenpläne aufbaute, erklärte eindrucksvoll Hubert Stelzl, Gründer der „Bürgeraktion Rettet die Donau“. „Ein für alle sichtbarer Auslöser war die Beantragung des ersten Raumordnungsverfahrens im Jahr 1992 durch die RMD. Die damals in der sogenannten Variante 20 geplante Staustufe bei Osterhofen mit langem Seitenkanal hätte zu einem enormen Landverlust für die Bauern geführt.“ Die Bürgeraktion und weitere Verbände riefen daher zu etlichen Demonstrationen in Deggendorf am Stadtplatz auf. Zugleich initiierte die Bürgeraktion zusammen mit dem BN die ersten Donaukongresse, damals noch in der Stadthalle Deggendorf. Dort erklärte unter anderem Prof. Ogris aus Wien, dass sehr wohl Möglichkeiten zur Verbesserung der Schifffahrt auch ohne Staustufen bestünden. „Die Demos hatten das Ziel, das erste Stau-Raumordnungsverfahren zu stoppen, was letztendlich 1996 erfolgreich war, und die ernsthafte Untersuchung und Planung der flussbaulichen Alternative zu erzwingen“, erinnerte sich der Donaukämpfer der ersten Stunde.
Nächste Zwischenstation war der Maria-Ward-Platz – ebenfalls Schauplatz einer Demo, mit Übergabe eine Resolution an den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber durch Helmut Habereder, und in den letzten Jahren mit dem Kolpingsaal unter anderem Standort der politischen Aschermittwoche der Umweltverbände.
Donaufest, seit 2002 mit der Spielvereinigung Niederalteich
Von Deggendorf aus erreichte die Gruppe mit Niederalteich einen zentralen Ort im Einsatz für die frei fließende Donau. Am Anger wartete dort bereits der amtierende Vorsitzende der Spielvereinigung Niederalteich, Günther Schneider, mit seinen Amts-Vorgängern Thomas Sedlmeier und Walter Beer, ebenso wie der ehemalige Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Deggendorf, Dieter Scherf. Scherf hatte im Jahr 2002 den Kontakt zu Thomas Sedlmeier aufgenommen, mit der Frage, ob nicht das von der Spielvereinigung bereits etablierte Vatertagsfest gemeinsam mit dem BN zu einem „Donaufest“ erweitert werden könnte. „Der Anlass dafür war die Entscheidung der damaligen rot-grünen Bundesregierung in diesem Jahr, die Donau ohne Staustufen auszubauen“, erinnerte sich Scherf. Über fast 20 Jahre habe sich in der Folge eine enge und einzigartige Zusammenarbeit entwickelt, mit gegenseitigen Vorteilen, betonten die Vereinsvertreter. Die Präsenz von prominenten Rednern wie die damals amtierenden Umweltminister Marcel Huber und Ulrike Scharf und das so vom BN angelockte Publikum aus ganz Bayern verstärkte die Besucherzahlen enorm; zugleich war der BN froh, sich nicht selbst um Essen und Trinken und das Festzelt kümmern zu müssen.
Dieter Scherf und Sepp Rehrl - Donauring und Donaukongresse in der Landvolkshochschule Niederalteich
Zur Mittagspause kehrte die Gruppe in der Land-Volkshochschule in Niederalteich ein - ebenfalls eine Ort mit großer Bedeutung für die Donau, wie Dieter Scherf im Innenhof erklärte: „Seit fast 30 Jahren findet hier am Jahresende der internationale Donaukongress statt. Und auch der sogenannte ‚Donauring‘, ein Koordinierungstreffen von Vereinen, Verbänden, kirchlichen Gruppen, anderen Initiativen und engagierten Privatpersonen nahm hier seinen Anfang“. Dr. Josef Rehrl, ehemaliger Leiter der Bildungseinrichtung, berichtete, dass es zunächst keineswegs einfach war, sich offen gegen die Staustufenpläne zu stellen. „Es kostete viel Mut und Durchhaltevermögen, sprichwörtlich ‚gegen den Strom’ zu schwimmen.“ Er erinnerte in dem Zusammenhang auch an Abt Emmanuel Jungclaussen, der mit seinem offenen Eintreten für die frei fließende Donau ein wesentlicher Rückhalt für ihn und viele andere gewesen sei.
Ehemals geplante Staustufe bei Aicha; Mühlhamer Keller
Die Radler setzten anschließend mit der Fähre auf die rechte Donauseite über und fuhren zu der Stelle, an der ursprünglich die Staustufe Aicha mit Durchstichskanal geplant war. „Der Einstau und die Spundwände in den Dämmen hätten den Grundwasserhaushalt bis zur Isarmündung völlig umgekrempelt. Der Rückstau im Fluss wäre bei Niedrigwasser sogar noch über Deggendorf hinaus spürbar gewesen“, umriss Georg Kestel wichtige Auswirkungen dieser Planung.
Nächster Schauplatz war der „Mühlhamer Keller“. In dem Lokal fanden nicht nur jede Menge Treffen mit hochrangigen Politikerinnen und Politikern statt - zugleich war der damalige Wirt auch der absolute Spitzenreiter bei der Sammlung von Unterschriften für die frei fließende Donau. Von den insgesamt über hunderttausend Unterschriften, die im Dezember 2012 an den damaligen Ministerpräsidenten Seehofer übergeben wurden, stammten etliche Tausend aus dem Mühlhamer Keller.
Schatzkiste Donau und Takatuka
Nach Überquerung der Donau-Wald-Brücke lud bei Winzer der herrliche Donaustrand zur einer weiteren kurzen Rast ein; am Strand stellte Irene Weinberger-Dalhof von der Geschäftsstelle des BN in Deggendorf das Umweltbildungsprojekt „Schatzkiste Donau“ vor. Dabei lernen Kinder und Jugendliche spielerisch und mit allen Sinnen die ökologischen Zusammenhänge und die Tier- und Pflanzenwelt der frei fließenden Donau kennen. „8000 Teilnehmer haben seit 2010 bei der Schatzkiste Donau mitgemacht, unter anderem genau an diesem Donaustrand“, erklärte sie. „Zusammen mit den etwa 22.000 Kindern und Jugendlichen, die seit 1999 mit dem Umweltbildungsschiff „Takatuka“ unterwegs waren, konnten wir somit schon 30.000 Menschen für die strömende Donau sensibilisieren und für deren Schutz mobilisieren!“
Dr. Anton Huber, Bürgerforum Umwelt e. V. in Vilshofen
Letzte Station und Ausklang war der Biergarten des Wolferstetter Kellers in Vilshofen. Dort erwartete Dr. Anton Huber, langjähriger Vorstand des Vereins „Bürgerforum Umwelt e. V. Vilshofen“ die Radlergruppe. Er erzählte von den schwierigen Anfängen und der Zeit in der sogenannten „Monitoring Gruppe“ zu den Untersuchungen in den Jahren zwischen 2008 und 2011. Zu Beginn, ab den 90-er-Jahren, hatte das Bürgerforum vor allem zahlreiche Zeitungsanzeigen finanziert, um über die Pläne aufzuklären oder um zu Informationsveranstaltungen einzuladen. „Gegen die RMD war es wie David gegen Goliath, aber wir haben mit unserer Beharrlichkeit und mit Hilfe der einheimischen Bevölkerung den Staustufenbau in unserer niederbayerischen Donau erfolgreich verhindert“, freute sich Dr. Anton Huber im Rückblick auf diese anstrengende Zeit.