Klima schützen, Fahrrad nutzen!
BUND Naturschutz fordert Verkehrswende auch in Deggendorf
„Trotz Aussicht auf Gewitter und eine ziemlich knappe Organisationszeit waren es etwa 60-70 Menschen, die bei der ersten Fahrrad-Kundgebung in Deggendorf dabei waren“, freut sich Georg Kestel vom BUND Naturschutz Deggendorf über eine hervorragende Teilnahme an der Fahrt unter dem Motto „Klima schützen, Fahrrad nutzen“. Die Route führte von Deggendorf nach Plattling an die dortige Baustelle der Ost-Umfahrung. Angestoßen hatte die Fahrt Matthias Schwinger von den Grünen, zusammen mit der Aktionsgruppe Klimaentscheid Deggendorf hatte sich auch der BN dem Aufruf zu der Fahrt am Sonntag den 25. Juli noch kurzfristig angeschlossen.
„Wir alle stehen hier, weil wir auch in Deggendorf eine Verkehrswende brauchen und wollen“, erklärte Kestel, neben Matthias Schwinger (Grüne), Kurt Bayer (VCD) und Rolf Sihr (ÖDP) einer der Redner an der – abgesperrten – Zufahrt zur neuen Isarbrücke. „Die Absperrung ist, auch wenn sie natürlich der Sicherung der Baustelle dient, doch auch als Symbol zu verstehen: für alle die, die nicht mit motorisierten Kraftfahrzeugen unterwegs sind, bleiben bisher Straßen, Brücken und der Großteil der für den Verkehr ausgegebenen Mittel verschlossen. Das muss sich ändern.“
Erste Deggendorfer Fahrrad-Demo führt an die Baustelle zur Ost-Umfahrung in Plattling
Ziel der Fahrt war die Ortsumfahrung Plattling vor allem deshalb, weil das Straßenbauamt in Passau hier keine Fahrradspuren eingeplant hat. Kestel bezeichnete es noch einmal als „Unverschämtheit“, dass als Grund für diesen Planungsmangel der Naturschutz als Begründung angeführt wurde. „Wenn es das Straßenbauamt und die Stadt Plattling mit dem Naturschutz ernst meinen würden, würden sie dafür sorgen, dass endlich auch das Umgehungsgewässer zu der Staustufe Pielweichs gebaut wird. Denn dieses wurde im Gerichtsverfahren zur Ortsumfahrung noch großartig als Garant für die Durchgängigkeit der Aue unter der neuen Isarbrücke angeführt. Kaum war die Ortsumfahrung aber genehmigt, war das der Stadt Plattling wieder Wurscht, stattdessen verzögert eine Klage der Stadt und anderer Kommunen das Ersatzfließgewässer weiter“, ergänzte Kestel dazu.
Kestel bezog sich in seinem Redebeitrag zu der Kundgebung außerdem auf eine „Infrastrukturkonferenz“, zu der der Bundestagsabgeordnete der CSU, Thomas Erndl, vor wenigen Tagen eingeladen hatte. Hier seien jedoch praktisch ausschließlich Straßenbauvorhaben präsentiert worden. „Das ist Verkehrspolitik aus dem letzten Jahrhundert und für die Vergangenheit. Man muss nicht erst nach Rheinland-Pfalz und nach Nordrheinwestfalen schauen, um zu erkennen, dass sich aus Klimaschutzgründen auch im Verkehr etwas ändern muss. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß ist, für kurze Strecken, etwa zur Arbeit oder zur Schule, für etwa 80 kg Mensch jeweils 2 Tonnen Blech durch die Gegend zu bewegen“, erklärte Kestel. Das Verkehrsministerium unter Andreas Scheuer sei das einzige Ressort der Bundesregierung, das seit 1991 in Bezug auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung nichts erreicht habe.
„Zu den in der Infrastrukturkonferenz auch angesprochenen Radwegen entlang von Bundes- und Staatsstraßen kann man sich auf der Webseite des Straßenbauamtes eine Karte ansehen. Blendet man die KFZ-Straßen aus, sieht man, was diese Bruchstücke für ein erbärmliches Bild abgeben. Da kann man weder von ‚Infrastruktur‘ noch von einem ‚Radwegenetz‘ sprechen. Hier müssen die großen Summen investiert werden, und nicht in den Versuch, mit weiterem enormen Flächenverbrauch im Straßennetz noch marginale Verbesserungen zu erreichen.“ Die immer noch falschen Prioritäten sehe man exemplarisch auch an der Mittelausstattung in Bayern. Laut Bauministerin Schreyer stünden etwa 40-50 Mio Euro pro Jahr als Förderung für den Radwegebau zur Verfügung. „Das für ganz Bayern genauso viel, wie hier bei uns in jeweils nur einem einzigen der geplanten Straßen-, Brücken- und Tunnelbauvorhaben in Beton und Asphalt versenkt werden soll.“
Kestel forderte daher, dass das Straßenbauamt in Bezug auf seine inhaltliche Ausrichtung sowie in Personal- und Mitteleinsatz zu einem „Mobilitätsamt“ umstrukturiert werden müsse. Das Amt müsse vorrangig die Aufgabe bekommen, den ÖPNV in den Landkreisen und in Niederbayern sowie die Radwegenetze voranzubringen.
Einen „Schlenkerer“ zu den aktuellen Coronabedingungen sieht der Vorsitzende der BN Kreisgruppe aber auch noch als notwendig an. „Als erstes aber müssen die hoch qualifizierten Bauingenieure eingesetzt werden, um endlich alle Schulen mit Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung auszurüsten. Das würde den Präsenz-Unterricht im Herbst erleichtern, das Lernen durch die bessere Versorgung mit Frischluft verbessern und einen Beitrag zur energetischen Sanierung der Schulen leisten. Es ist kaum hinzunehmen, dass zwar öffentliche Mittel im zweistelligen Millionenbereich für eine dritte Donaubrücke in Deggendorf verplant werden, aber die Schaffung von vernünftigen Lernumgebungen an den Schulen nicht voran kommt.“
Für den BUND Naturschutz braucht es nicht nur im Verkehr eine „Wende“; wegen Untätigkeit der verantwortlichen Politik müssten das die Bürgerinnen und Bürger selbst anpacken. „Wir rufen daher dazu auf, die Bürgerbegehren ‚Deggendorf klimaneutral bis 2035‘ zu unterstützen. Damit soll in Stadt und Landkreis die Verkehrspolitik genauso auf den Prüfstand wie die Baupolitik und die Energie- und Stromversorgung. Eine Verkehrswende brauchen wir auch in Bayern und im Bund. Wir geben als BN keine Wahlempfehlungen für einzelne Parteien oder Personen ab – aber Andreas Scheuer darf wegen seiner Unfähigkeit und seiner Verweigerung, die eigentlich zentralen Zukunftsfragen in seinem Ressort anzugehen, nach der Wahl nicht wieder Bundesverkehrsminister werden“, wurde Kestel abschließend deutlich.
Eine gemeinsame Veranstaltung des Aktionsbündnisses Klimaentscheid Deggendorf, Parents4Future Deggendorf, LBV Deggendorf, BUND Naturschutz Deggendorf, Bündnis 90/Die Grünen, ÖDP, Verkehrsclub Deutschland.